Der Stollen von Hausen

Warum gibt es in Hausen ein Restaurant Stollen (heute Stolle Bar) oder einen Stollenweg? Und – gibt es in Hausen auch einen Stollen? Die Antworten zu diesen Fragen gibt der Blickpunkt «Stollen».

Von der grünen Wiese zum Industriequartier

Wenn man diesen Fragen nachgeht, so blättert man in der Zementgeschichte des Kantons Aargau oder gar der Schweiz. Zwar kannten schon die Römer ein zementartiges Material (aus gebranntem Kalkstein als Bindemittel sowie Steinen, Sand und Puzzolanen als Zuschlag) und verwendeten dieses Material z.B. für das Kolosseum und das Pantheon sowie für Wasserleitungen. [Wikipedia]

Bild 1: Stolle Bar. | Bild 2: Stolleweg. | Bild 3: Stolleneingang


Zement dominiert das 20. Jahrhundert

Zu Beginn des 20. Jhdts. stieg die Nachfrage nach Zement sprunghaft an, auch im Aargau. 1882 errichtete Friederich Rudolf Zurlinden im Scheibenschachen Aarau eine Zementfabrik mit fünf Schachtöfen und 1890 folgte eine zweite Zementfabrik in Wildegg.
1897 wird die Kollektivgesellschaft Zurlinden & Co. in eine Aktiengesellschaft, die Jura-Cement-Farbriken AG umgewandelt. Die beiden Zementfabriken in Aarau und Wildegg wurden in dieser Firma zusammengefasst. 1903 wurde die Zement- und Kalkfabrik Fleiner & Co, Aarau, übernommen und deren Produktion stillgelegt. Von 1927 bis 1929 wurde das Werk in Wildegg massiv ausgebaut, dafür aber das Werk in Aarau stillgelegt. [1], [4]


Das Kartell wirft Steine in den Weg

Der wachsende Markt weckte natürlich Begehrlichkeiten. 1928 wurden die Portland-Cement-Werke Hausen AG mit rund 100 Arbeitsplätzen erstellt. Der dazu notwendige Kalkstein sollte vom nahen Eiteberg zugeführt werden.

Das Bild 3, links, zeigt die Karte von Hausen um 1920. In Bild 4, rechts, ist der Stollenverlauf entlang der Münzentalstrasse ersichtlich.

Normalerweise wurden für den Materialtransport Schienen- oder Seilbahnen eingesetzt, Transportmittel, die in Hausen erfolgreich verhindert wurden – vom Zementkartell, gegründet 1911. Treibende Kraft war der Industrielle Ernst Schmidheiny. Der Begriff Zementkartell steht für verbotene Preis- und Gebietsabsprachen zwischen Zementherstellern. Und genau dies ist in Hausen passiert.
Die bestehende Zementindustrie kaufte in Hausen den halben Eiteberg und belegte das Land mit dem Servitut, dass keine Schienen- oder Seilbahnen für den kürzesten Weg gebaut werden durften. Somit blieb nur die Möglichkeit, über einen Stollen an das Rohmaterial zu kommen.

Der Stollen führte wohl in den Konkurs

Bild 5: Übergang vom kreisförmigen zu einem Ω-Querschnitt bei 257 m (Bild zvg)
Bild 6: Beginn der Wendeschleife bei ca. 750 m (Bild zvg)

Weil dieser Stollen auch nicht unter dem «Kartell-Land» gegraben werden durfte, blieben nur der öffentliche Grund, die Münzentalstrasse und das Chilholz. Diese Auflagen sind der Grund für die Linienführung des Stollens, Bild 4. Das Rohmaterial wurde am Eiteberg im Tagbau gewonnen, via zwei senkrechte Schächte (Rolllöcher, 73 und 80 m hoch) zu den Loren der Stollenbahn gebracht und unterirdisch ins Zementwerk gefahren. Mit Zement aus Hausen wurde z.B. das Palais des Nations in Genf zwischen 1929 und 1936 gebaut, Bild 7.

Einen Stollen zu bauen, zu betreiben und zu unterhalten ist wesentlich teurer als z.B. eine Materialseilbahn. Daraus resultierten für die Portland-Cement-Werke Hausen AG viel höhere Gestehungskosten als die der Wettbewerber, so dass im Januar 1931 der Betrieb eingestellt werden musste.
Die Rolllöcher wurden aufgefüllt. Der Stollen ist zwar noch immer vorhanden, teilweise eingestürzt und nicht mehr zugänglich. Eine letzte Begehung fand am 17.12.2013 statt, davon stammen die hier veröffentlichten Fotos und der Filmausschnitt.

Auf das Zementwerk folgten 1938 die Dr. Münzels Chemische Werke, die Öle veredelten für die Lack- und Farbenindustrie [2]. Nach mehreren Eigentümerwechseln wurde das Areal 1993 stillgelegt. 2006 erfolgte der Abbruch der Gebäude. Die Hiag Immobilien erwarb 2012 die Industriebrache und hat bis 2020 die Altlastensanierung vorgenommen [3]. – Doch das ist eine andere Geschichte.

Die Stollendaten: Länge ca. 750 m; Breite ca. 2 m; Höhe ca. 2.5 m